Ich hänge immer noch in Yazd herum und kann mich nicht so richtig entscheiden, was ich als nächstes tun möchte. Saeideh, die ich auf der Busfahrt nach Yazd kennengelernt habe, schreibt mir täglich mehrere Nachrichten. Ich solle sie für ein paar Tage besuchen kommen, sie habe ihrem Mann und ihrer Familie von mir erzählt und alle möchten mich nun kennenlernen. Ich habe auch große Lust sie wiederzusehen, denn ich habe das Gefühl, noch viel mit ihr bereden zu können. Außerdem bin ich noch nicht privat bei irgendwem hier im Iran untergekommen und das wäre die perfekte Gelegenheit. Allerdings lebt sie in Shiraz und ich würde lieber an einen Ort gehen, den ich noch nicht kenne.
Ein Grund in den Iran zu reisen war für mich ja auch die Wüste. Aber bisher war ich nur in Großstädten unterwegs und möchte nun unbedingt mal „raus“, auch um das ländliche Iran kennenzulernen.
Also schicke ich mich selbst in die Wüste, genauer gesagt in die Dasht-e-Kavir-Wüste. Zunächst bedeutet das eine sechseinhalbstündige Fahrt von Yazd aus in einem altersschwachen Bus, der gefühlt an jeder Mülltonne hält. Dieser Bus hat so gar nichts mit den äußerst komfortablen Bussen zu tun, die die großen Städte miteinander verbinden.
Im Ort Khoor angekommen, geht’s noch mal mit dem Auto eine knappe Stunde weiter. Dann bin ich endlich am Ziel: die kleine Barandaz Lodge im Örtchen Farzahad. Die Lodge wird von der Großfamilie Tabatabai geführt. Ich bin hier wirklich im Nirgendwo gelandet. Aber ich habe sofort das Gefühl mich richtig entschieden zu haben (dieses Gefühl sah im Bus noch etwas anders aus). Mein Zimmer ist sehr traditionell gehalten. Betten gibt es nicht, es wird auf dem Boden geschlafen.
Nachdem ich mit Tee und Lammfleisch gestärkt habe, lädt mich eine Gruppe junger Teheraner ein mich zu ihnen zu gesellen. Sie sind ebenfalls Gäste in der Lodge. Mir wird ein Glas Wodka Lemon in die eine Hand, eine Zigarette in die andere Hand gedrückt. Die Jungs und Mädels erzählen mir, dass sie auf dem Weg von Teheran hierher immer damit rechnen mussten, von der Polizei gestoppt zu werden. Bislang konnte man sich in solchen Situationen immer gegen etwas Bargeld freikaufen. Sie entschuldigen sich dafür, nur billigen Wodka mitgebracht zu haben und bieten mir an sie in Teheran zu besuchen, dort hätten sie auch Jack Daniels.
Husein, einer der Söhne der Familie Tabatabai, bringt uns in die Wüste hinaus. Wir schauen in den Himmel mit unendlich vielen Sterne. Auch Sternschnuppen kann man einige sehen. Es ist wunderbar friedlich. Kein Vergleich zu den letzten zwei Wochen, die ich in den lauten Großstädten verbracht habe. Nach ca. zwei Stunden geht’s zurück in die Lodge. Ich bin hundemüde und schlafe auf dem harten Boden so gut wie lange nicht mehr.
Burning-Männchen-Festival
Am nächsten Tag fahren wir wieder in die Dünen hinaus. Es ist so windig heute, dass ich kaum die Augen offen halten kann, habe aber trotzdem meinen Spaß. Ich fühle mich wie ein kleines Kind, wie die Dünen auf– und ablaufe. Man braucht halt nicht viel um glücklich zu sein 😉 Bereits vor dem Mittagessen wird mir wieder Wodka angeboten, aber ich lehne dankend ab — zumindest für ein paar Stunden noch.
Später fahre ich mit den Jungs in den nächsten Supermarkt, der seinen Namen eigentlich nicht verdient. Das Sortiment dort ist äußerst überschaubar, aber der Kühlschrank ist voll mit Red Bull und anderen Energy-Drinks und ich verstehe auch wieso. Die Teheraner gehen gezielt an den Kühlschrank und nehmen haufenweise Dosen mit dem süßen, koffeinhaltigen Getränken mit. Angebot und Nachfrage, denke ich. Ich habe mitbekommen, dass offensichtlich viele Teheraner und andere junge Leute übers Wochenende in die Wüste fahren um dort ein wenig den strengen Moralvorstellungen zu entkommen. Die Mädels tragen kein Kopftuch und auch mir wurde gesagt, ich solle es abnehmen, es störe hier niemanden. Abends geht’s wieder in die Wüste hinaus, dieses Mal mit dem Wagen. Es wird Feuer gemacht und man hat eine Art Feuerwerk mitgebracht. Aus dem Autoradio tönt laute Musik und sofort tanzen alle. Mir wird mal wieder klar, dass ich mir Musik nicht schöntrinken kann, Enrique Iglesias und Celine Dion-Remixe können mich einfach nicht dazu bewegen, das Tanzbein zu schwingen 😉
Ich fahre am nächsten Morgen zurück nach Yazd, denn dort bin ich mit Saeideh verabredet, die kurz wegen ihres Studiums dort ist. Ich freue mich auf das Treffen mit ihr, aber leider macht uns ein ausgebuchter Nachtzug einen Strich durch die Rechnung. Ich muss den früheren Bus nach Teheran nehmen und kann somit Saeideh nicht sehen. Wir sind beide enttäuscht.
In Teheran verbringe ich die letzten Tage bei Aban, er räumt sein Schlafzimmer für mich und schläft selbst auf dem Boden im Wohnzimmer. Er stellt mir seine Freundin Arezoo vor, die ich sofort ins Herz schließe. Die beiden sind seit zwei Jahren ein Paar, haben sehr gute Jobs und denken gar nicht daran zu heiraten, denn das würde die Liebe nur kaputt machen. Außerdem, so erklärt mir Arezoo, sei es als Frau sehr schwierig, eine Scheidung durchzusetzen. Ich mag die beiden sehr gern. Zusammen mit ihnen und Arezoos 18-jährigen Ziehsohn machen wir Teheran unsicher. Stolz geht er mit mir eine Shopping Mall, wo ein Luxusgeschäft neben dem anderen zu finden ist. Überall werde ich von den dreien eingeladen, dass ich mal für uns das Essen oder sonst was bezahle, kommt überhaupt nicht in Frage, egal wie oft ich es versuche.
Sie zeigen mir Ecken von Teheran, die ich vorher noch nicht gesehen habe. Der Norden der Stadt unterscheidet sich doch sehr vom Zentrum und Süden, eben die Gegenden, die bislang nur von Teheran kannte. Das Highlight ist ein Aussichtspunkt, von dem aus man die ganze Stadt überblicken kann. Es ist bereits dunkel als wir dort ankommen, und die Dimension dieser riesigen Metropole wird mir bewusst. Zwischen 12 – 14 Millionen Menschen sollen hier leben — Wahnsinn! Mit Tränen in den Augen verabschiede ich mich von Arezoo und Shayan. Ich habe das Gefühl, Arezoo schon viel länger zu kennen. Sie drückt mich fest an sich und lässt mich gar nicht mehr los.
Der Flughafen liegt weit außerhalb der Stadt, aber Aban besteht darauf mich hinzubringen. Mal wieder ist eine Diskussion zwecklos. Zum Abschied schenkt er mir eine klitzekleine, schwere Truhe aus Stein. Sie ist wunderschön. Ich muss ihm versprechen, ihn wieder besuchen zu kommen und er verspricht mir im Gegenzug, dass er daran arbeiten werde, sein Englisch zu verbessern. Ich bin traurig den Iran zu verlassen, ich habe so viele tolle Menschen kennengelernt und frage mich, ob das noch zu toppen ist oder ob der Iran schon das Highlight meiner gesamten Reise darstellt. Mal gucken, ich freue mich trotz des Wehmuts doch sehr auf mein geliebtes Bangkok!